(Auszug aus dem Text zur Ausstellung von Ruedi Arnold †)

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Mit Individualität und Masse befasst sich auch Ursula Grosers „Ornament der Masse“- Installation.

„Himmel & Hölle“ ist ein Spiel für zwei Kinder mit einem Faltobjekt, dessen obere, pyramidenförmige Hälfte sich räumlich in zwei entgegengesetzte Richtungen (Himmel rosa angemalt, Hölle geschwärzt) öffnen lässt. Es ist anzunehmen, dass Ursula Groser auch weiss, wie MitspielerInnen mit Hilfe einer einfachen Berechnung in den Himmel oder in die Hölle geschickt werden können, dass also auch Manipulation durchaus zum gewählten Thema passt.

 

In Ursula Grosers Installation bedecken 200 Himmel & Hölle Faltungen eine Fläche von 5,5 mal 5,5 Meter. Die Installation ist nur 5 cm tief, jedoch kein Relief, weil ihre Tiefe der realen Abmessung der Faltobjekte entspricht. Diese Himmel & Hölle Faltungen sind mit Fotos bedruckt, die Massen zeigen: Menschen, welche der Verkehr am selben Ort zusammengeführt hat, Besucher von Sportveranstaltungen, Fischschwärme, Demonstranten, paradierende Heereseinheiten – Bilder, welche die Himmels- oder die Höllöffnung der Faltobjekte markieren.

Zweihundert Mal „oder“. Oder doch nicht?

 

Als Individuum freut man sich, wenn eine für wertvoll befundene Aktion groß beachtet, breit unterstützt, möglicherweise plebiszitär angenommen wird. Und man ärgert sich über die Bauernfängerei von Populisten und die Verbreitung, die ihre Plattitüden in der Skandalpresse finden. Und gleichzeitig ist man sich bewusst, dass unzählige Individuen sich unter der Berufung auf ihr Recht, eine eigene Meinung vertreten zu dürfen, einen gegenteiligen Standpunkt einnehmen. An diese Überlegung knüpfen sich tiefschürfende Fragen: Weshalb verbessert sich die Welt – auf lange Sicht betrachtet – nicht zum erträumten Zustand hin? Was verhindert ihr Umkippen ins Gegenteil? Verhindert beides der Zufall oder ein sich selbst regulierender Mechanismus? Oder steht ein Plan dahinter, der auf ein (von wem gesetztes) Ziel hin steuert? Oder jemand, der korrigierend eingreift?

 

Die Wechselwirkungen zwischen dem Einzelwesen als Individuum und der Gesellschaft, und der Gesellschaft als Vielzahl von Einzelwesen, sind das Thema von Ursula Grosers Installationen. Sie führt sich und uns dieses Spannungsfeld als Sinnenreiz vor. Zum Nachdenken (weil wir auch in Bildern, beim Tasten mit dem Körpergefühl und mit dem Raumempfinden denken), und empört darüber, dass so Vieles in dieser zwiespältigen Situation schmerzt. Und zweifelnd, ob die Langeweile, würde die Spannung wegfallen, leichter zu ertragen wäre.